Eine Sommerausstellung in Zusammenarbeit mit der Galerie Meyer Kainer, Wien
Die Villa Rainer, ehemals Epstein Villa in Baden ist der erste große Profanbau Otto Wagners.
Nach ihrer gelungenen Restaurierung erstrahlt sie im alten Glanz eines Sommersitzes aus der
Zeit Arthur Schnitzlers. Anlässlich der Fertigstellung findet nun die erste Sommerausstellung
statt. Diese versammelt unter dem Motto „Inspired by Nature, Landscape, Women“ 15 inter-
national renommierte Künstler und Künstlerinnen. Das Motiv entspringt einem Bild des
polnischen Malers Marcin Maciejowski, welches sich auf Manets „Le déjeuner sur L’herbe“ (1862/63)
bezieht und eine romantische Seite der Villa zum Klingen zu bringen scheint. Regelmäßig widmet
sich Maciejowski in seinen Arbeiten den gesellschaftlichen Bedingungen der Bohème und Fragen
der eigenen Befindlichkeit als Künstler als Mitglied derselben. Oft greift er dabei auf historisches
Material aus Film- (Romy Schneider) und Kunstgeschichte (Manet) zurück, um damit den aktuel-
len Status der künstlerischen Avantgarde zu untersuchen. „Can`t You be more radical? Paint
something abstract, like patterns“ bezieht sich eigentlich auf das simple Abstraktions-
Schema eines profanen Fischgräten-Parketts und durchzieht leitmotivisch gleichzeitig als offene
Frage die gesamte Ausstellung: die Frage nach dem aktuellen Stand des Konflikts zwischen
Realismus und Abstraktion. Ist Kunst jemals in der Lage etwas anderes abzubilden, als sich selbst?
Sind abstrakte Strukturen in höherem Maße als realistische Gemälde geeignet, Landschaft
darzustellen oder Natur-Metaphern, Raum-Illusionen oder gar literarische oder musikalische
Schöpfungen?
Gerade in der ländlichen Idylle, umgeben von der „spinatgrünen Erhabenheit der Natur“, wie
Doderer dies einst despektierlich nannte, kristallisiert sich der Kontrast zwischen Kunst und
Natur mit aller Deutlichkeit heraus: „Ich möchte versuchen, mit meinen Skulpturen die Natur
zu demütigen“ hat Franz West einmal spitzbübisch erklärt… Die Ausstellung versucht diesem
Gedanken unter den verschiedenen Aspekten der zeitgenössischen Kunst neue Facetten
abzugewinnen.
Künstlerinnen wie Amelie von Wulffen, Martina Steckholzer, Isa Schmidlehner und Katrin
Plavcak betreiben einen furiosen Stilwechsel nicht nur in ihrer Werkfolge, sondern auch innerhalb
ihrer Bilder, die oft wie Collagen aus historischen Versatzstücken wirken. Bei Amelie von Wulffen
begegnen barocke Bildelemente zeitgenössischen Figuren, Löwen von Eugéne Delacroix treffen
auf Pferde von Pablo Picasso, eine Seelandschaft von Gustave Caillebotte bildet den Hintergrund für
ein Portrait von Van Gogh. Historische Figuren, wie in einem Gemälde von Isa Schmidtlehner, das
eine Neuinterpretation der Dame de Monde Sonja Knips von Gustav Klimt darstellt, und litera-
rische Fiktionen, wie das „Herz der Finsternis“ in Katrin Plavcak’s Bild, das auf dem berühmten
Roman von Josef Konrad basiert, treten in Verbindung, geraten durcheinander und spielen auf den
fortgesetzten Dialog zwischen Kunst und Natur, aber auch dessen politische Komponente an. Am
Beginn der Moderne stand der Impressionismus, für die meisten heute die wohl am besten
gelungene malerische Umsetzung von Naturwahrnehmungen. In der Tat verdankte dieser
aber seine Existenz zuallererst den technischen Errungenschaften der Webtechnik. Die Bedeutung
von Kette und Schuss, der strukturelle Aspekt industrieller Technik war letztlich die für die Kunst
entscheidende Entdeckung. Nicht Naturwahrnehmung und Ästhetik, sondern Mathematik,
musikalische Notation, Soziologie, Sprache bestimmen fortan den Werdegang der modernen
Kunst und darauf rekurrieren in der Ausstellung die Raster-, Kreis- und Strukturbilder von Walter
Obholzer, Stefan Sandner oder Heimo Zobernig. Letzterer bezeichnete sich mitunter selbst als
Wissenschafter und Martin Kippenberger fügte hinzu: „Es wird heute nicht mehr gemacht,
sondern nur mehr gedacht“. Die Bilder von Walter Obholzer haben etwas Finales und wurden
von ihm bisweilen als Otaku betitelt. Otaku sind Nerds, die abgekoppelt von jeglicher Außenwelt
lediglich in ihrer eigenen Interessens- und Phantasiewelt kreisen. Auch für Siggi Hofer hat der
Kreis, als Kreislauf des Lebens, als Struktur sozialer Systeme etwas Geschlossenes, Unentrinnbares,
und doch öffnet er diesen erneut hin zur Landschaftsdarstellung. Die Farbe, als künstlerische und
politische Metapher für Freiheit, durchquert, durchbricht den geschlossenen Bildraum, den Raum
der Lebenswirklichkeit. Farbe überwindet auch einen nostalgischen Zugang zur Schönheit, wie
er durch das ewige Traumland Italien verkörpert wird, einer Projektion der auch die neoklassizi-
stische Villa Rainer, am Eingang zum romantischen Helenental, ihre Gestalt verdankt.
Sinngemäß schließt sich der Bogen der Ausstellung mit der Darstellung der Mona Lisa, der
geheimnisvollsten Kunstfigur der Renaissance, neu interpretiert von dem Künstlerkollektiv
Gelatin. Konstituiert Verundeutlichung (das Sfumato bei Leonardo da Vinci), abjekte Materiali-
tät (Plastilin bei Gelatin), Uneindeutigkeit, Unebenmaß, Antiästhetik – die moderne Schönheit?
Geht es bei Mona Lisa in erster Linie nicht um die Person an sich, sondern um das dahinterliegende
Informell einer bedrohlichen Landschaft, um das Herz der Finsternis?
„Der leidlich moralische Kulturmensch (wandelt) auf dem gefahrvollen Weg über eine Kruste kaum
erkalteter Lava, die jeden Augenblick durchbrechen und den Unvorsichtigen in heiß lodernde
Abgründe sinken lassen kann.“ (Betrand Russel)
  
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